Eine dreistündige Siesta erscheint den meisten Deutschen mit einer Mittagspause von nur 30 Minuten auf den ersten Blick traumhaft. Doch immer mehr Spanier wünschen sich eine Anpassung an die üblichen europäischen Arbeitszeiten und dementsprechend eine Abschaffung der langen Siesta. So auch der spanische Ministerpräsident Mariano Rajo. Er fordert ein früheres Ende des Arbeitstages: Nämlich 18 Uhr.
Verschobener Tagesablauf
Um sein Vorhaben durchsetzen zu können wirbt Rajoy um Unterstützung bei anderen Parteien, Vereinen und Unternehmen. Beistand bekommt er vor allem von der vor zehn Jahren gegründeten Vereinigung zur Rationalisierung der Zeiten (ARHOE). Vorsitzender José Luis Casero meint: „Was in Spanien passiert, ist nicht normal. Wir haben ein Anrecht darauf, unser Privatleben zu genießen“. Ein normaler spanischer Arbeitstag beginnt gegen 9 Uhr und endet ca. 20 Uhr. Unterbrochen wird er 14 Uhr von einer dreistündigen Zwangspause. Der Arbeitstag wird dadurch entzweit und unnötig in die Länge gezogen. Oft kommen lange Anfahrtswege hinzu, sodass ein Nachhausekommen vor 21 Uhr fast nicht möglich ist. Wo bleibt dann noch Zeit für Familie und Freizeit? Der spanische Tagesablauf ist deshalb im Vergleich zu anderen europäischen um einige Stunden nach hinten verschoben. Abendessen gibt es nicht vor 21 Uhr, Prime Time beginnt im Fernsehen ab 22 Uhr und geschlafen wird erst weit nach Mitternacht.
Negative Auswirkungen auf die Arbeitsleistung
Auch Professorin und Ökonomin Nuria Chinchilla der Wirtschaftshochschule IESE in Madrid ist gegen eine derartig lange Mittagspause. In einer Studie belegt sie, dass Spanier im Vergleich zu anderen Europäern generell weniger schlafen. Müdigkeit, Stress und eine geringere Arbeitsmotivation sind die Folgen. Gleichzeitig hat dies negative Auswirkungen auf die Gesundheit und die Produktivität der Arbeitnehmer, was sogar bishin zu einer Einschränkung der Wettbewerbsfähigkeit des Landes kommen kann. Von einer Umstellung der Arbeitszeiten würden sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer profitieren. Schlafmangel in einem Land mit einer dreistündigen Mittagspause scheint vorerst grotesk. Doch laut Befragungen schlafen mehr als 60 Prozent der Spanier nicht in ihrer Siesta. Grund dafür sind lange Anfahrtswege zur Arbeit, weshalb sich der Weg in der Mittagspause nach Hause oft nicht lohnt.
Siesta als langjährige Tradition
Ursprünglich wurde die Siesta wegen der in vielen Gegenden Spaniens unerträglichen Hitze im Sommer eingeführt. Temperaturen bis zu 40 Grad sind normal und erschwerten den Arbeitsalltag ungemein. Doch mittlerweile sind Bürogebäude sehr gut gegen Hitze isoliert und verfügen fast alle über Klimaanlagen. Die Ausrede, dass es mittags zu heiß zum Arbeiten ist zählt also nicht mehr.
Erste Anpassungen an europäische Arbeitszeiten
Die Abschaffung der langen Mittagspause konnte sich schon im Wirtschaftsministerium durchsetzen. Die Mitarbeiter werden aufgefordert ihre Mittagspause so kurz wie möglich zu halten und das Büro gegen 18 Uhr zu verlassen. Auch der Energiekonzern Iberdrola führte an europäische Maßstäbe angepasst Arbeitszeiten ein. So beginnt der Tag zwischen 7.15 und 9.00 Uhr und endet zwischen 14.50 und 16.35 Uhr.
Inwiefern und vor allem wie schnell eine solche Anpassung der Arbeitszeiten in ganz Spanien erfolgen wird ist unklar. Fabián Mohedano, Mitglied des Beirats für die Geschäftszeitenreform sagt, dass „solch ein Wandel […] eine Veränderung der kulturellen Wahrnehmung von Zeit [verlangt]“ und somit nicht mit nur einem einfachen Gesetzesbeschluss entschieden werden kann. Schließlich würde dies den Bruch einer langen spanischen Tradition darstellen.
Im Anwaltsallta sind „Siestas“ eher unüblich, doch langwierige Geschäftsessen von 1 ½ bis 2 Stunden sind nich ungewöhnlich. Ein spanischer Arbeitskollege von mir wohnt in der Nähe der Kanzlei und berichtet mir, dass er zuhause eine 10 minütige Siesta nach dem Mittagessen mache; der Trick liege darin, nicht in einen Tiefschlaf zu verfallen, denn dann sei der Nachmittag gelaufen.